Willst Du andere echt verstehen? Wir stellen Dir hier Ideen zur bescheidenen und höflichen Kommunikation im Ausland auf der Fremdsprache vor. Ebenso gibt’s Ideen für das Reflektieren. Davon können sowohl Du als auch Dein Gesprächspartner profitieren.
(ein Artikel von Magdalena und Raphaela)
Ein alter Hut?
„Mit dem Hut in der Hand, kommt man durch das ganze Land.“ Dieses Sprichwort steht für Reisen auf eine respektvolle Art und Weise. Zog jemand damals den Hut, so wollte er eine andere Person oder Gruppe höflich grüßen. Wir kennen die Bewegung noch gut von unserem Großvater.
Ja, gutes Benehmen ist sehr nützlich. Gerade auch Bescheidenheit. Besonders gut das in einem Dir noch unbekanntem Umfeld – zum Beispiel im Ausland.
Wie bekommen wir echt was mit von anderen Menschen? Unserer Meinung nach gibt es drei Kernelemente respektvoller Kommunikation – die auch in der Fremdsprache gelten: bescheiden sein, zuhören und echt verstehen
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In diesem Beitrag zeigen wir Dir, wie Du ohne Wertung in die Welt Deines Gesprächspartners eintauchen kannst: bescheiden sein, zuhören und echt verstehen. Zusätzlich geben wir Dir am Ende des Arikels Tipps zum Wiederauftauchen aus der anderen Welt.
Bescheiden sein – weniger ist mehr
Bescheidenheit ist wichtig. Und ja, vieles müssen wir am eigenen Leib erfahren, um daraus zu lernen…
Ein Beispiel von mir, Magdalena: In meinem Bekanntenkreis in Nicaragua (einem ärmeren Land) werde ich häufig gefragt, welche Länder ich kenne. Auch meine Sprachlehrerein frage mich das in meiner ersten Woche hier. Ganz stolz und völlig unvorbereitet auf ihre Reaktion zählte ich auf: „Frankreich, Russland, Polen, England… und bald auch Nicaragua!“ Die Lehrerin hatte ganz große Augen vor Staunen und Fernweh. Sie selbst war noch nie aus ihrem Land herausgekommen… Mist
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Bekommst du schon den Newsletter?
Also lieber bescheiden… In dem Beispiel hätte ich, Magdalena, besser nur ein Reiseziel erwähnt und davon ein bisschen erzählt.
Stell die anderen nicht in den Schatten. Trumpfe nicht auf mit Deinen Erfahrungen, Deinen Reisen, Deiner Ausbildung… und erst recht nicht mit Deinem Besitz. Nimmst Du Fotos mit auf Reisen, um gut ins Gespräch zu finden? Dann sei bei der Auswahl bescheiden, damit Du damit später keinen Neid weckst. Das ist nicht unehrlich, sondern eher weise.
Unsere Reisen waren hauptsächlich so, dass wir direkt mit den Einheimischen unserer Länder zu tun hatten. Wir reisen „direkt in der Kultur“. Dabei trafen wir immer wieder auf Leute, die mit sehr viel weniger Geld als wir auskommen (müssen). Sobald wir als Gäste in ein „Auftrumpf“-Fettnäpfchen treten, ist Unterhaltung schnell vorbei… oder hat zumindest einen negativen Beigeschmack erhalten.
Ein guter Zuhörer sein – Schalte beide Ohren auf Empfang
Oft verpassen wir tolle Geschichten. Warum? Weil wir selbst unseren Senf dazu gegeben haben. Ganz unbewusst und ungefragt.
Und dann geht das Gespräch schon anders weiter… Denn wir haben den anderen unterbrochen oder eigene Erfahrungen und Gedanken eingestreut. Sobald wir das tun, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass wir niemals mehr erfahren, was der andere uns noch sagen wollte. Wir haben die Chance verpasst!
An einem Morgen nahm ich mir, Magdalena, gezielt etwas vor: Ich wollte einer Freundin einfach aktiv zuzuhören. Was dabei alles auf den Tisch gekommen ist… unglaublich. Also das Zuhören hat sich absolut gelohnt.
Wie kannst Du also ein guter Zuhörer sein? Bekomme heraus, was Dir Dein Gesprächspartner sagen möchte. Gott gab uns zwei Ohren und einen Mund… Zwei Ohren und ein Mund: Die Verteilung ist eine gute Faustregel dafür, dass wir mehr zuhören sollen als selbst reden. 2:1 fürs Zuhören. Also schalt einfach mal auf Empfang und nutze deinen Mund nur, um nachzufragen.
Zu einem ehrlichen Zuhören gehört die gebündelte Aufmerksamkeit auf den Moment. Auf den Gesprächspartner, auf die Situation… auf das Hier und Jetzt. Vollständig.
Und damit meinen wir: Die gebündelte Aufmerksamkeit gehört beim Zuhören nicht zum Teil auf das Handy. Jaja … Schalte Dein Handy aus und lege es für die Stunde weg!
Echt verstehen – Raum geben
Echtes Verstehen beruht darauf, einander zuzuhören, zu beobachten und sich in die anderen hineinzufühlen. Bei uns geht echtes Verstehen – wenn es gelingt – so: Wir tauchen in die Welt unserer Gegenüber ein und versuchen diese andere Welt ohne Wertung zu verstehen. Dabei räumen wir der Gedankenwelt und Sichtweise des anderen zu 100 Prozent Existenz-Berechtigung ein. Wir geben dem Gegenüber Raum.
Echtes Verstehen hilft uns dahinter zu kommen, was der andere in echt meint. Es geht um Erklärungen, die hinter Beobachtungen und Äußerlichkeiten eine wesentliche Rolle spielen.
Echt verstehen – mit Herz und Hirn
Echtes Verstehen ist eine ganz besondere, pure Art vom Verstehen. Dabei machen wir uns die Lage des Gesprächspartners auf zwei Arten bewusst: „Mit dem Herzen“ empfinden wir die Gefühlslage des Gesprächspartners nach. „Mit dem Hirn“ verarbeiten wir die Umstände, die die Umgebung „formen“. Hier eine kurze Anleitung für Dich zum Ausprobieren:
Mit Herz. Tauche in die Welt Deines Gesprächspartners ein. Und blende Deine Welt für diesen Moment aus. Wie Du merkst, sind beim echten Verstehen der anderen die eigenen Bedürfnisse nicht so wichtig. Wichtig ist aber, dass Du bei Deinem eigenen Reflektieren genau diese eigenen Bedürfnisse wieder hervorholst. Also erst eintauchen und dann wieder aus der „anderen Welt“ auftauchst (siehe unten: Reflektieren).
Mit Hirn. Bedenke immer: „Bei gleicher Umgebung schaut doch ein jeder in eine andere Welt.“ Der Satz ist von Arthur Schopenhauer, einem deutschen Philosophen. Er weist darauf hin, dass jeder Mensch anders denkt und handelt. Denn jeder hat einen eigenen Hintergrund. Und dementsprechend denkt jede und jeder auch anders. Familie, Freunde, besondere Vorlieben für Kultur oder Sport und so weiter… All das formt Dich oder andere persönlich und als Teil der Gesellschaft (in der Du oder die anderen jeweils leben).
Gerade in anderen Kulturen kann es schnell passieren, dass wir die ein oder andere Situation ganz anders empfinden als die Einheimischen. Es gibt andere Bedürfnisse… Wir wählen ganz andere Worte… Eine andere Logik oder Un-Logik existiert, ganz andere Emotionen sind wichtig… Häufig ist auch der geschichtliche und religiöse Hintergrund äußerst relevant. Stichworte sind hier regionale Bürgerkriege, das Zeitalter der Kolonialisierung, der Aufklärung (für die Europäer) und die zwei Weltkriege (für Menschen aus der ganzen Welt).
Beispiel für echtes Verstehen
Ein Beispiel von mir, Magdalena: Auf die Frage, wie eine normale Woche aussieht, antwortete mir eine einheimische Studentin: „Nachmittags unter der Woche ist Uni, (…) und am Wochenende machen wir die Aufgaben für die Uni.“ Das WIR hört sich für mich in dem Satz irgendwie seltsam an. Ich frage nach: Wer genau ist „wir“ Für meine Gesprächspartnerin ist es sonnenklar. „Na meine Freundinnen und ich, wir setzten uns zusammen und schreiben die Texte.“ – Das „wir“ in Bezug auf Aufgaben für die Uni hat mich verwirrt. In Deutschland habe „ich meine Aufgaben“ gemacht. Und ich habe mich eventuell mit meinen Freunden zu Gruppenarbeiten zusammengesetzt. In Nicaragua setzen sich samstags Studenten zusammen, um als „wir“ die Aufgaben zu machen.
Wir. Du und Ich. Kulturen unterscheiden sich unter anderem auf der Ebene vom Individualismus beziehungsweise Kollektivismus (nach dem Modell der Kulturdimensionen von Geert Hofstede). Für die individualistischen Kulturen beschreibt das eine Webseite für interkulturelle Trainings (IKUD, Link gibt’s unten) so: „Kinder lernen in der Ich-Form zu denken.“. Ja, da können wir als Frauen aus Deutschland nur zustimmend nicken. In kollektivistisch geprägten Kulturen werden Kinder mit der „Wir-Gruppen-Identiät“ großgezogen. Sie lernen also in der Wir-Form zu denken. Es ist dort einfach so üblich. Doch welchen Hintergrund hat das? Eine gängige Erklärung: Als eine soziale und auch finanzielle Absicherung hat die Familie eine besondere Bedeutung in ärmerem Ländern. Und auch die Beziehung zu Freunden wird „warm gehalten“, regelmäßig gefestigt und sich gegenseitig täglich unterstützt. Gefällt mir echt gut.
Reflektieren
Zu jedem Eintauchen in andere Gewässer, gehört auch ein (relativ zeitnahes) Auftauchen, zumindest wenn Du lebend wieder rauskommen willst. Je mehr Du Dich in die Gewässer anderer Kulturen stürzt, desto wichtiger ist, dass Du selbst das ganze reflektierst. Was habe ich vom anderen erfahren? Was bedeutet das für mich? Wie finde ich das?
Bei Deinen Reflektionsrunden solltest Du die eigenen Bedürfnisse wieder hervorholen, die du bei der Kommunikation „mit dem Hut in der Hand“ zurückgestellt hast. Was ist mir wichtig? Was will ich behalten?
Es ist eine sehr wertvolle Erfahrung für mich, Magdalena, in Zentralamerika eine spontane Art der Tages- und Lebensgestaltung kennenzulernen. Und trotzdem habe ich für mich selbst entschieden, dass ich auch eine eigene, feste Routine brauche. So nehme ich mir meine erste und letzte Wachstunde Zeit: Jeden Morgen und Abend mache ich Dinge, die mir wichtig sind: Ich mache Sport, kümmere mich um meine Sprachen und höre inspirierende Podcasts. Dies ist meine kleine Routine – einfach, um meinen eigenen Wert „Ordnung“ ausleben zu können. Das Bedürfnis nach Ordnung und Pünktlichkeit ist immer wieder ein typisches Beispiel für Menschen aus dem deutschsprachigen Raum.
Hast Du den Hut schon in der Hand?
Eintauchen in die Welt des Gesprächspartners. Ohne zu bewerten. Bescheidenheit, Zuhören und echtes Verstehen. – So bekommen wir echt was mit von fremden Ländern und Kulturen, von anderen Personen und Geschichten.
Bist Du dazu bereit? Sei ein Gast im Land, der aufrichtig was BE.GREIFEN will. Oder mit anderen Worten: Lüfte immer mal den Hut mit der Hand und zeige Respekt, indem Du Land und Leuten um Dich herum eine Chance zum echten Verstehen gibst – sowohl im eigenen als erst recht im fremden Land.
Links:
Querverweis in eigener Sache: Für mehr gegenseitiges Einfühlen und Verstehen von Personen kannst du dich in diesem Artikel klicken. Es geht um die Prinzipien der gewaltfreien Kommunikation nach Marshall B. Rosenberg. Dabei haben wir die Erkenntnisse zur Gewaltfreien Kommunikation auf Reisen, Ausland und Fremdsprache angewendet.
Artikel: In verschiedenen Kulturen ist es schwer, überhaupt erstmal die Unterschiede einzuordnen. Zur Orientierung hat Geert Hofstede das Modell der sechs Kulturdimensionen entwickelt. Eine gute Zusammenfassung gibt’s hier https://www.ikud.de/glossar/kulturdimensionen-geert-hofstede.html.